so, jetzt habt ihr nach all den schönen Bildern endlich mal wieder was zu lesen
Busfahren in Nicaragua …
… ist ein Erlebnis für sich. Die Busse sind farbenfroh gestrichen, der Fahrersitz vorne sieht aus wie das Wohnzimmer inklusive Spruchbänder, Parteiflagge und Marienstatue. Die Kunstledersitze im Bus sind für zwei bzw. drei Personen ausgerichtet, meist stapeln aber doppelt so viele Nicas ein, mit allem, was dazugehört: Säcken voll Reis, Bohnen und Zucker; Paletten mit rohen Eiern, lebendigem/abgemurgstem Federvieh, Kisten, Kästen, Kinderschar …. Der Beginn einer Busfahrt verzögert sich immer um etwa eine dreiviertel Stunde, da der Bus so etwas wie ein fahrender Marktplatz ist. Ihre Ware (Freskos, Mandarinen, frittierte Platanos, Milchkuchen, Mangos, Fernbedienungen, Zahnbürsten, Batterien und und und…) anpreisend, ziehen die Verkäufer (Alter: 6-99) durch den Bus. Getränke bekommt man in Plastebeuteln serviert, von denen man eine Ecke abbeißt und sie dann ausnuckelt (na, wer hat schon mal Bier aus einer Plastetüte getrunken?;)). Die Nicas decken sich für die Busfahrt mit Leckereien und allem “Notwendigem” ein, jeglicher Plasteüberschuss, und den gibt es reichlich, wird aus dem Fenster geworfen. Es kommt aber auch mal ein “Arzt” mit einem großen Koffer, der einen kleinen Vortrag hält und zwielichtige Vitaminpräparate anpreist (und die Nicas kaufen das Zeug) oder ein Mann mit einem verletzten Fuß, der uns sein Leben erzählt, ein paar Röntgenbilder und eklige Fotos von seinem Fuß hochhält, auch ein Foto von seiner Hochzeit und seinen fünf Kindern, unter der Beteuerung, das er ein ehrlicher Mann sei – und dann abkassiert.
Sich das alles anzuschauen ist unterhaltsamer als Kino, noch lustiger wird es, wenn der fahrende Bus dann in immenser Lautstärke mit Popmusik beschallt wird und die Schaffner durch den Bus tanzen. Durch die geöffnete Tür am Ende des fahrenden Busses springen auch immer mal Leute rein und raus, die Schaffner schreien, um die Musik zu übertönen… – ich werde mich so langweilen, wenn ich wieder in DD in eine Bahn steige.
Leon ist ein wahres Juwel Nicaraguas – soweit ich das überhaupt beurteilen kann. Schon allein die kunstvoll geschmiedeten Metallgitter vor den Fenstern sind traumhaft, fast orientalisch anmutend. Es gibt zahlreiche Kirchen, Vorgärten, viele Häuser sind mit Säulen bestückt, alle sind bunt angestrichen, oft sind die Wände bemalt. An jeder Ecke stehen Straßenhändler und verkaufen Früchte, Freskos und Süßigkeiten. Leider ist die Zeit hier nicht stehengeblieben. Überall (!!) gibt es Läden mit billigen Klamotten und Schuhen vom Fließband, alle sehen gleich aus. COCA-COLA beherrscht die Auswahl an Getränken und hat sich auf jeder zweiten Hauswand mit Großbuchstaben verewigt.
Einen (fast lächerlichen) Kontrast zu dieser Konsumwelt bieten die zahlreichen riesigen Wandbilder im Stil des sozialen Realismus mit Soldaten, Panzern, Lenin, Kopftuchfrauen, und was sonst noch dazugehört. Gerade hat der Herr Daniel Ortega von der linken Partei FSLR die Wahlen wiedergewonnen (obwohl er das laut Verfassung gar nicht dürfte) und es gehört zum guten Benehmen, sich wenigstens eine kleine Flagge irgendwohin zu bammeln (alternativ kann man sich auch die Fingernägel rot-schwarz lackieren). Der Präsident lächelt von vielen Plakaten herab und breitet die Arme zum Segen für sein Volk aus. Ich weiß nicht so richtig, was ich von ihm halten soll. Er gibt sich wie Robin Hood, nimmt den Reichen und gibt den Armen, soll aber (wie jeder Politiker;)) auch schon Dreck am Stecken haben. Gerade unter den armen und ungebildeteren Nicos ist er aber sehr beliebt.